Von Puno über Juliaca nach Sicuani


Nach dem lohnenden Ausflug zu den Uros fahren wir Richtung Cusco und stellen erneut schmerzhaft fest, dass man in Peru trotz guter Straßen überhaupt nicht vorwärts kommt. Überall sind auf den Straßen Bumper, damit nur ja keiner zu schnell fährt. So ist jede Ortsdurchfahrt enorm verzögert, weil man vor jedem Bumper quasi stehen bleiben muss, sonst wird es ein Achsenbrecher...

Und dann erreichen wir Juliaca... der Reiseführer empfiehlt dringend die Umgehungsstraße, auch wenn sie in einem miserablen Zustand sei. Nach unserer La Paz-Erfahrung hören wir auf den Reiseführer - und die Straße IST definitiv in einem äußerst miserablen Zustand. Eine breite Lehmpiste mit tiefen Wasserlöchern und Steinen, Tuctucs und einzelnen Bussen, von denen jeder glaubt, die beste Spur zu kennen. Einige Kilometer scheppern und kurven wir diese Umgehungsstraße entlang, sagen erneut hundert Mal "Sieht das hier aus!" und stehen vor einem riesengroßen Schotterhaufen, der die weitere Umgehungsstraße sperrt.  Wir biegen links ab und sind mitten im Zentrum mit seinem Verkehrschaos, das wir umgehen wollten. Na, klasse! Tuctucs von allen Seiten, Baufahrzeuge, Laster, Busse, Kleinbusse, die auch einfach irgendwann irgendwo anhalten, um Leute ein- oder aussteigen zu lassen, Fahrradkarren, Motorräder, Fußgänger... wie immer, wenn ich von Hand navigiere, weil es irgendwo keinen Sinn mehr macht, landen wir auch in Juliaca mitten im Markt - und es wird unsere bisher lustigste Marktdurchfahrt, die wir hatten. Zwischen Obst- und Gemüseständen hindurch, immer in der Hoffnung, nicht mit dem Dachzelt hängen zu bleiben, beste Aussicht auf die frischen Früchte, Menschen rechts und links quetschen sich an uns vorbei, doch es gibt auch andere Verrückte, die versuchen, hier durchzukommen - sie wirken nur so, als wüssten sie, was sie tun, als wüssten sie, wo sie durch passen und vor allem, als wüssten sie, welche Straßen Einbahnstraßen sind. Mein Ziel war es, wieder auf die Umgehungsstraße zurückzukommen - und kurz bevor wir sie erreichen, enden wir mitten im Markt vor einem riesengroßen Schotterhaufen, der die Zufahrt versperrt und die Weiterfahrt unmöglich macht. Jemals auf einem Markt zwischen Ständen und Menschen ein Auto auf der Stelle gedreht? Einen Toyota Hilux? Erstmal quer zum Traubenstand stehend tief durchatmen, dann aus dem Fenster heraus ein Kilo Trauben kaufen, natürlich erst probieren und dann die Wendung in Angriff nehmen. Hans macht das genial und ich winke ihn maximal dicht am den Schemel eines alten Marktverkäufers heran, der vollkommen entspannt sitzen bleibt und überhaupt nicht in Erwägung zieht, aufzustehen und ein paar Zentimeter mehr Platz zu machen. Der ein oder andere schaut uns zu, aber wirklich schockiert ist niemand, es meckert auch niemand - es ist, wie es ist, wir drehen uns auf der Stelle einmal um einen Weintraubenkarren... anschließend stecken wir im Stau zwischen den Marktständen, ich steige aus, gehe Obst einkaufen, während die anderen im Stau einfach weiter geradeaus fahren und irgendwo auf mich warten. Es ist so lustig und so chaotisch und wir mitten drin, mehr mitten drin geht nicht.

Nur vorwärts kommt man bei all dem Spaß leider auch nicht... es ist sehr bald klar, dass wir Cusco heute nicht mehr erreichen werden. Aber nach weiteren Ausblicken  in schöne Landschaft und eine Menge Müll verlassen wir über den 4300 Meter hohen Pass La Raya den Altiplano und freuen uns auf neue Landschaftsbilder. Nach einem netten Kurzkontakt mit ein paar Brasilianern auf der Passhöhe verändert sich bei der Abfahrt die Landschaft tatsächlich. Dunkelgrüne Hügel, Orte mit Adobe-Häusern, weit schöner als Bolivien und das bisherige Peru, durchzogen von einer Eisenbahnlinie. Wir haben seit Tagen das erste Mal das Gefühl, jetzt wird es wieder schöner... Wir fahren bis Sicuani, wo wir auf dem sicheren Parkplatz eines Hotels für ganz kleines Geld stehen können. Der Platz ist grausig! Zwischen riesigen Stapeln Bierkästen stehen wir auf einem dreckigen Hinterhof und es wird noch stundenlang dort gearbeitet. Doch wir bekommen ein eigenes Bad und dürfen die Räumlichkeiten des Hotels nutzen. Für Silvester hätten wir uns allerdings was Schöneres gewünscht. In mehreren Orten hatten wir noch in jeweils mehreren Läden nach Schokolade für ein improvisiertes Schokofondue gesucht, aber selbst das ist uns heute nicht gegönnt. Lediglich Minitafeln und alle mit Erdnüssen hätte es gegeben. So sitzen wir  arg traurig im Hotel mit einem Teller Obst und lassen das alte Jahr Revue passieren, Spaß macht das alles nicht. Ich will wenigstens ein Gläschen Sekt besorgen, frage an der Bar und bekomme liebevoll geputzte Gläser. Dass ich auch den Sekt will, versteht keiner der Kellner - weder auf Englisch, noch auf Spanisch, noch gestisch oder mimisch... ich muss so sehr lachen, es passt so sehr zu diesem Silvester - und doch ist auch das echt traurig. Wir krabbeln ins Zelt und schlafen einfach. Um 0 Uhr werden wir vom peruanischen Feuerwerk wach, schauen aus dem Zelt heraus ein bisschen zu und schlafen weiter bis zum Neujahrsmorgen.