Durch die blöde peruanische Zeit sind Hans und ich sowieso früh wach, bereiten den Rest vor, wecken Liska und Lasse und laufen die wenigen Meter zum Bahnhof. In der Nacht hat es geregnet, die Berge sind von Wolkenstreifen umgeben, die Landschaft wirkt magisch. Kaffee zum Mitnehmen, am Bahnhof einchecken mit Ticket und Reisepässen, wir sind erstaunt, wie ordentlich und gut organisiert alles ist. Auch der Zug ist sehr sauber und schön. Wir haben eine Vierer-Sitzgruppe mit Tisch, die Fenster sind groß und auch im gewölbten Dach sind Fenster, so dass wir auf der tollen Fahrt durch den Nebelwald, am Urubamba entlang stets auch einen guten Blick auf die Gipfel der Bergkulisse haben.
Nach anderthalb lohnender Zugfahrt erreichen wir Auguas Calientes, das viel größer ist, als wir gedacht hatten. Der Bahnhof ist sehr, sehr schön, viele tropische Pflanzen, vieles blüht, liebevoll angelegt. Erstmal müssen wir durch einen riesigen Markt mit Touristenkram und Souvenirs laufen, bevor wir frei im Ort sind. Doch wo geht's lang? Ein ganzes Stück müssen wir die Straße entlang laufen, die auch die Busse nehmen, um die Hundertscharen von Touristen den Berg rauf zu fahren, bis wir über eine Brücke den Einstieg in den Aufstieg erreichen. Es ist jetzt schon trotz Wolken tropisch warm und wir schwitzen schon, bevor es losgeht.
Knapp 1800 Stufen durch den Nebelwald, vollkommen unregelmäßig hoch, unterbrochen an den Stellen, wo die Busstraße den Wald durchschneidet. Anstrengend! Liska vorne weg. Ihr sage ich, sie soll einfach ihr Tempo gehen - und sie ist recht schnell verschwunden. Lasse und ich kämpfen uns eine Zeit gemeinsam hoch, doch nachdem er über den toten Punkt hinweg ist und auch Hans uns überholt hat, bilde ich das Schlusslicht. Mehrfach kommen uns Leute von oben entgegen, zweimal feuern uns Amerikanerinnen total nett an: "Come on!!! You can do it!!! - You are almost there! - I did it this morning and I almost cried!"
Als ich oben ankomme, beglückwünschen wir uns gegenseitig und befinden uns leider mitten im Touristentrubel all derer, die mit dem Bus hochgefahren sind. Wir sind zu früh für unsere Einlasszeit, was wir mit Essen und Trinken überbrücken. Am Einlass nochmal Karten- und Passkontrolle und endlich, endlich Machu Picchu. Lasse freut sich ohne Ende und kann es schon jetzt am wenigsten fassen. Recht plötzlich stehen wir an dem Aussichtspunkt, von dem aus DAS Machu Picchu-Bild gemacht wird. Und natürlich machen auch wir zahlreiche davon. Der Anblick ist wirklich beeindruckend und die Stadt weit größer, als ich gedacht hatte und auch weit erhaltener, als ich wusste.
Und so spazieren wir zunächst oben, später weiter unten zwischen all diesen Mauern, Gebäuden, Plätzen, Vierteln umher und sind immer wieder beeindruckt. Die Perspektiven wechseln ständig, die Bergkulisse, die die Stadt umgibt, einzigartig. Von oben über alle Mauern hinwegzuschauen, den großen Überblick zu haben, ist ganz anders als unten zwischen den Mauern herzulaufen, quasi drin zu sein in dieser uralten Stadt.
Vier Stunden haben wir Zeit, nach drei Stunden fehlt uns nur noch ein kleiner Teil und wir werden Opfer einer unmöglichen Machtdemonstration von zwei Sicherheitsmännern. Aus unerfindlichen Gründen sind wir - ohne diesen letzten Teil gesehen zu haben - auf den Weg zum Ausgang geraten, und der ist eine Einbahnstraße. Wir können argumentieren, wie wir wollen, sie lassen uns nicht zurück. Lasse ist todunglücklich und das nach einem bisher so wunderbaren Tag. Wir tun alles, wir laufen hin und her, werden mit Trillerpfeifen zurückgepfiffen, mit der Polizei bedroht... dann andere Besucher, von denen einer Spanisch und Englisch spricht und für uns übersetzt. Am Ende müssen wir durch den Ausgang raus, können durch den Eingang erneut rein und müssen einen riesigen Umweg laufen, um den fehlenden Teil zu erreichen, kommen dazu an einem der beiden Wachleute vorbei, der uns freundlich winkt - und hinter dem ein kleines, offenes Türchen ist, das er nur kurz hätte freigeben müssen und wir wären exakt an der gleichen Stelle gewesen wie jetzt...
So latschen wir uns auf einer Extrarunde die Füße endgültig platt, hassen die beiden idiotischen Wichtigtuer, schauen uns die restlichen Gebäude an und haben am Ende einen überglücklichen Lasse.
Hans spendiert nach diesem tollen Tag die Busfahrt nach unten, zumal auch sein Fuß immer noch wehtut. Lasse freut sich drüber, Liska ist unglücklich, was ich so gut verstehen kann, ohne den Abstieg über die Treppen bleibt Machu Picchu ein Stück weit unvollendet. Ich überlege noch eine Zeit lang mit ihr runterzulaufen, aber mein Körper sagt einfach nein - und Liska tut mir unendlich leid. Schade. Sie ist enttäuscht, trägt es mit Fassung.
In Aguas Calientes haben wir noch etwas Zeit, essen den Rest Focacchia, bummeln über den Markt, warten auf den Zug und fahren müde, glücklich und erfüllt zurück nach Ollantaytambo. Dort warten tausende von hilfsbereiten Taxifahrern auf uns, die uns so gern nach Cusco bringen wollen. Wir lehnen dankend ab, erreichen nach zweihundert Metern unser Dachzelt und freuen uns, dass unsere aufwändige Organisation so gut geklappt hat.