Hans entscheidet sich kurz vor Huancayo mit seinen latenten Zahnschmerzen doch zum Zahnarzt zu gehen, da auch das Antibiotikum keine entscheidende Verbesserung gebracht hat. In Huancayo gibt es wohl eine gute Privatklinik, in der wir nach einem guten Zahnarzt fragen wollen. Wie schon in manch anderer Stadt gibt es auch hier in einer Straße, durch die wir fahren, an jeder Ecke einen Dentist. Die Läden und Geschäfte scheinen ähnlich, wie wir es von Gert über den Riesenmarkt in La Paz gelernt haben, nach Themen sortiert. In einer Straße nur Reifen, in einer anderen nur Möbel, in einer dritten die ganzen Ärzte und in der nächsten überall Särge und Beerdigungsinstitute. Hier halt die ganzen Zahnärzte und Hans meint, er könne auch einfach zu einem hingehen. Neben uns ist ein großes Hotel mit einem großen bewachten Parkplatz und ich überzeuge ihn, dort hinzufahren und wenigstens mal im Hotel nach einer Zahnarztempfehlung zu fragen. Und es ist wirklich unglaublich!!! Hans und ich gehen zur Rezeption, Hans schildert sein Anliegen, der Rezeptionist hört es sich an und bekennt dann, er sei auch Zahnarzt. Unglaublich, einfach nur unglaublich. So findet die erste medizinische Beratung am Hoteltresen statt. Er denkt, es brauche ein Röntgenbild und empfiehlt uns eine Praxis um die Ecke, er selbst arbeitet in seiner Praxis erst später am Abend. Wir gehen in die Praxis um die Ecke und eine Frau sitzt im kleinen Wartebereich und nimmt uns in Empfang. Hört sich alles an, diesmal auf Spanisch, im Hotel ging es gut auf Englisch und bittet Hans in den rosafarbenen Mädchenstuhl, ein blauer Jungsstuhl steht daneben, für Hans viel zu kurz sind sie beide. Die Kommunikation ist extrem schwierig, auch mit google-Übersetzer. Doch nach und nach sind wir sicher, diese Frau ist die Zahnärztin und weitere Personen sind nicht anwesend. Sie untersucht, sie röntgt, sie entscheidet, der Zahn braucht eine Wurzelbehandlung und dafür drei Termine. So viel Zeit haben wir definitiv nicht. Was tun? Die Kommunikation wird noch schwieriger... eine Variante, die wir kategorisch ablehnen, ist, den Zahn zu ziehen. Wir entscheiden, Teil 1 der Wurzelbehandlung und die anderen Teile später, am besten erst zu Hause.
Und doch gibt es irgendwo ein Missverständnis. Kurz nach der Betäubung fängt sie an rumzuhantieren und nimmt schließlich die dicke Zange. Hätten wir nicht beide entsetzt "Stopp" geschrien, wäre der Zahn wohl draußen gewesen. Mann, was für ein Schreck!!! Anschließend dann Teil 1 der Wurzelbehandlung. Da jede Spur von Assistenz am Stuhl fehlt, wird ohne Wasserkühlung, aber immerhin elektrisch gebohrt und am Ende sieht es so aus, als habe sie ihren Job gut gemacht.
Gekostet hat der "Spaß" 30 Euro. Wirklich eine andere Welt. Hier wird man als Zahnarzt nicht nur nicht reich, man kann schlicht nicht überleben, wenn man nicht den halben Tag noch beispielsweise an einer Hotelrezeption arbeitet. Wer geht in Peru zum Zahnarzt? Das kann sich niemand leisten. Schaut man sich die Zähne der meisten Peruaner an, ist völlig klar, diese schwarzen Zähne haben noch nie einen Zahnarzt gesehen, sofern sie nicht sowieso längst fehlen. Zahnlücken an allen nur denkbaren Stellen sieht man überall, besonders in den kleinen Dörfern. Hier wartet der Zahnarzt in seinem Wartezimmer auf einen Patienten - nicht andersherum. Und dann gibt es in unmittelbarer Nähe auch noch diverse Mitstreiter um den einen deutschen Touristen, der das Geld für ein Röntgenbild und eine drittel Wurzelbehandlung einfach bar auf den Tisch legt. Verkehrte Welt...