Die Nacht ist für Hans super ätzend - er kann vor Zahnschmerzen trotz Tablette kaum schlafen, kühlt mit Wasser, quält sich durch die Nacht. Morgens ist es besser, aber es ist auch klar, dass wir vor dem Aufenthalt im Dschungel noch eine sinnvolle Lösung braucht. Der Plan ist, möglichst schnell nach Lago Agrio zu fahren und dort zum Zahnarzt zu gehen. Nur wenn die Straße gesperrt sein sollte und wir den Umweg fahren müssen, wollen wir unterwegs noch einen Zahnarzt suchen.
Der Weg von Arie, bei dem es etwa 26° Grad ist, bis zur Gabelung bei Baeza verläuft durch schöne grüne, teilweise tropische Berglandschaft, wir müssen noch einmal einen 4000 Meter hohen Pass, den Passo Papallacta überqueren, die Temperatur sinkt auf 6° Grad ab und wir fahren allmählich immer noch erstaunlich bergig weiter nach Nordosten. Kurz vor Baeza tanken wir und fragen an der Tankstelle, ob die Straße offen sei - und zum Glück ist sie es. Kurz danach eine Polizeikontrolle, die uns zwar wie fast immer durchwinkt, aber wir halten an und lassen uns die offene Straße sicherheitshalber noch einmal bestätigen.
Die Straße schlängelt sich durch beeindruckende Landschaft, wie so oft in Ecuador schauen wir von oben in tiefe Täler und auf eine Weite von grünen Hügeln. Wir überqueren noch einmal den Äquator und kommen durch verschiedene typische ecuadorianische Orte immer mehr ins Amazonasgebiet, queren kleine und größere Flüsse, das Grün wird immer intensiver und dichter.
Lago Agrio, den nördlichsten Punkt unserer Reise erreichen wir mittags bei etwa 30° Grad und gefühlter 100%iger Luftfeuchtigkeit, fahren zu dem Hotel, wo wir unser Auto die nächsten Tage parken können, nehmen uns dort ein recht einfaches Vierbettzimmer mit Klimaanlage. Die Kinder legen sich mit Handy und Tablet auf's Bett und chillen, ich gehe mit Hans zum Zahnarzt, eine Overländer-Empfehlung.
Rein optisch ist die Praxis wieder ein Rückschritt gegenüber Cuenca und Quito, doch sie haben Zeit, sind unglaublich hilfsbereit und nett. Wir erklären auf Spanisch-Englisch mit Google-Übersetzer die gesamte bisherige Geschichte, sie untersucht den 3/7er und braucht ein Röntgenbild. Dafür müssen wir allerdings zwei Blöcke weiter zu einer anderen Praxis. Damit wir es auch finden, begleitet uns eine Helferin bis zur nächsten Straßenecke und erklärt uns erneut den Weg.
Lago Agrio ist total lebendig. Überall Menschen, zu dritt, zu viert auf einem Moped, kleine Verkaufswagen mit ganz viel Obst, Mangos, Ananas, Maracujas, einer Litscheeart, Erdbeeren - schön anzusehen. Kleine Stände, an denen Bananen gegrillt werden, andere verkaufen frische Säfte, gelbe Taxis, tausend Läden, alles irgendwie cool, doch wir brauchen ein Röntgenbild. Plötzlich sagt Hans zu mir: "Bleib mal stehen!" Da war ihm ein Mann zu nahe gekommen, den er überholen lassen wollte. Doch der Mann hatte den Zettel mit der Anforderung des Röntgenbildes in Hans Hand gesehen und zeigt uns, dass wir schon vorbei seien und wo wir hin müssen - voll nett. Röntgenbild geht schnell, 7 Dollar und zurück zum Zahnarzt. Diagnose: Infektion unter der Krone. Krone muss ab ... angesichts unseres Dschungelaufenthaltes entschließt sich die Ärztin in Absprache mit dem Chef zur Schmerzstillung bis Montag. Es dauert und dauert nur halt wieder, bis wir alles verstanden haben und auch überzeugt sind, genug richtig verstanden zu haben.Wir bekommen zwei Rezepte, mit denen wir in der Apotheke drei Medikamente holen, die gespritzt werden müssen, genau drei Tabletten sehr niedrig dosiertes Diclofenac und mal wieder ein Antibiotikum. Sicherheitshalber kaufen wir auch noch Novalgin - praktisch, dass das so problemlos ohne Rezept geht. Dann zurück zum Zahnarzt, der Hans nach nebenan zu einem anderen Arzt schickt, der ihm die beiden Spritzen verabreicht, zurück zum Zahnarzt 20 Dollar bezahlen, Termin für Montag machen und endlich, mal wieder halb verhungert zurück zum Hotel. Da geht jetzt kein Weg dran vorbei, ich brauche jetzt die 12 Dollar Pizza, ich habe Mörderhunger und keinen Bock auf Fleisch mit Reis. Am Hotel kann man draußen direkt mit Blick auf die Hauptstraße sitzen und alle Szenen, die sich dort abspielen, hervorragend beobachten, besser als Fernsehen, nur das Essen dauert und dauert... es ist schon fast dunkel und wir haben noch nicht einmal angefangen unser Zeug für den Dschungel zu packen, auch die Kleidung noch nicht mit Mückenspray "imprägniert". Der Parkplatz, auf dem unser Auto steht, ist ein Stück entfernt vom Hotel in einem hinteren Hinterhof, in dem in verschiedenen Behausungen Menschen wohnen. Wir sind arg skeptisch, hier unser Auto stehen zu lassen, ist aber offiziell so von der Agentur gebucht und wir haben keine Alternative. Also hoffen und vertrauen wir. Auf dem Hof kramen wir aus allen Kisten die Sachen, die wir brauchen, und die Rucksäcke, schleppen alles ins Hotel und packen und sortieren unser Zeug. Die Kleidung legen wir auf zwei Bänken vor unserem Zimmer aus und sprühen sie ein. Wie das bei dieser Feuchtigkeit jemals trocknen soll, ist mir ein Rätsel. Hans und ich ziehen nochmal los, kaufen Wasser und Taschenlampen und holen, bevor wir schlafen gehen, die ganze Kleidung ins Zimmer, in der Hoffnung, dass die Klimaanlage sie bis zum nächsten Morgen trocken bekommt.