Diese Geschichte ist so unglaublich makaber, dass ich es tatsächlich nicht über mich gebracht habe, sie aufzuschreiben, obwohl wir Tränen gelacht haben...
Morgens, als wir Montevideo verlassen wollen, kommen noch zwei Deutsche aus dem Hotel und geben sich als solche zu erkennen. Es stellt sich heraus, dass ihnen der dicke umgebaute LKW, der neben unserem Hilux im Hafen stand, gehört. Natürlich gibt es viel zu erzählen und auszutauschen. Von ihnen erfahren wir zunächst, dass man in Argentinien angeblich zwei Warndreiecke brauche. Toll, wir haben nur eins... Warnwesten wussten wir und auch der Feuerlöscher war ja längst an meinen Beifahrer-Füßen platziert. Und dann erhalten wir die Info mit dem Leichentuch. Ein Leichentuch??? Ernsthaft??? Wie lustig und gleichzeitig so makaber. Welch schwarzer Humor... doch die beiden meinen es ganz ernst, sie hätten es auch nicht gewusst, sich aber in einem Stoffladen in der Nähe eins gekauft. Wir schlucken, müssen diese Info erst einmal verarbeiten, sind nicht sicher, ob wir das wirklich glauben sollen... ein Leichentuch... Bilder im Kopf und vor Augen, wofür und wo man überall ein Leichentuch brauchen könnte und es auf gar keinen Fall brauchen will... besorgen wir uns jetzt, obwohl wir nun endlich los wollen, erst noch ein Leichentuch? Wir haben ja noch überhaupt keine Erfahrung, wie oft werden wir in Polizeikontrollen geraten? Wie unangenehm werden diese sein? Werden sie wirklich kontrollieren, ob wir ein Leichentuch dabei haben? Und was passiert, wenn wir keins haben? Alles überhaupt nicht kalkulierbar, wir sind blutige Anfänger im südamerikanischen System... will ich überhaupt ein Leichentuch an Bord haben? Ist das nicht allein schon ein schlechtes Omen?
Wir fahren los und suchen den Stoffladen. Leider kann man dort nirgendwo parken, die Kinder weigern sich auszusteigen, also mache ich mich alleine auf den Weg, im Stoffladen ein Leichentuch zu erwerben. Wie kauft man eigentlich ein Leichentuch, wenn dafür vollkommen elementare Vokabeln fehlen?
"Un blanco ....?!" mit Zeigen auf eine weiße Stoffrolle... Zwei ganz nette und hilfsbereite Frauen bieten mir den edelsten und teuersten Stoff an. "Demasiado caro.. " und viel, sehr viel Ratlosigkeit auf beiden Seiten... Das Wort für Leichentuch hatten wir nachgeschaut, ich hatte es längst vergessen... "in casa de muerte..." erzeugt große, verständnislose Augen. "Argentina" ... hatte gehofft, es sei allgemein bekannt, dass man dort ein Leichentuch benötigt... oder doch nicht? Doch irgendwie scheint es ihnen zu dämmern, was ich brauche. Und sie fragen "tapar" oder irgendwas anderes und spielen mir vor, wie sie sich in das Tuch einwickeln bzw "tapar", damit zudecken. Ah, "para tapar" muss reichen, wissen tue ich es auch nicht. Sie kommen mit dem Messstab, wollen wissen wie groß, ich zucke mit den Achseln, sie machen eine Skizze von einem toten Strichmännchen und zeichnen das Leichentuch drumrum. Gemeinsam entwickeln wir die benötigten Maße und haben in unserer gemeinsamen Hilflosigkeit Unmengen Spaß. Die beiden sprechen sich immer wieder ab, was ich wohl meinen könnte und was sie mir vorschlagen, unendlich geduldig. Nebenbei wollen sie wissen, woher ich komme, wohin ich gehe. Am Ende bezahle ich routiniert con tarjeta, frage, ob ich ein Foto machen darf, wir verabschieden uns herzlich und ich verlasse lachend den Laden, in mich hinein grinsend ein Leichentuch für rund 10 Dollar unter dem Arm.