Alles geplant, alles recherchiert, zig mal gegengecheckt, jeder die ArriveCanApp runtergeladen, alle Daten eingegeben, die Coronaimpfnachweise hochgeladen, alle Einreisedaten eingegeben, einen QR-Code in der App und eine Mail mit eben demselben erhalten, verbunden mit den freundlichen Worten "Welcome to Canada" ...
Kurz vor der Abfahrt mit dem Taxi zum Bahnhof eine Mail, dass unser Flug nun zum Online-Check-In bereit sei, mit dem Zug nach Frankfurt, nachmittags im Hotel eine Stunde lang alle Daten beim Online-Check-In eingegeben, Impfnachweise hochgeladen, die diversen fiesen Versuche, uns gegen viel Geld ein besseres Essen, mehr Beinfreiheit oder ein generelles Upgrade anzudrehen, erfolgreich abgelehnt und - im allerletzten Schritt eine Fehlermeldung, der Check-In fehlgeschlagen, ein rosafarbenes Kästchen popt auf, dass die Coronanachweise verfied werden müssen. Eine Stunde nerviges Daten eingeben für die Katz... erstmal essen gegangen, zumindest versucht, die ersten Lokale alle zu, im dritten eine geschlossene Gesellschaft, am Ende noch nett satt geworden. Zurück im Hotel drei neue Check-In-Versuche, alle mit gleicher Hoffnung begonnen und jedes mal am Ende dieselbe Enttäuschung. Heute morgen früh aufgestanden, mit dem Bus zum Terminal, an der Schlange angestellt. Genau ein Schalter besetzt und null Bewegung in der Schlange. Hans und Liska versuchen am Self-Check-In erneut unser Glück - vergeblich. Nette Bekanntschaften, ein Polizeiauftritt zwecks Schusswaffenkontrolle erleichtern die Wartezeit. Der Versuch, einfach am Business-Schalter einzuchecken, schlägt nur knapp fehl, dafür hätten wir ohne unsere nette Bekanntschaft allerdings fast unseren Platz in der Schlange eingebüßt. Zwischenzeitlich mal zwei, dann drei Schalter. Doch dann zieht der eine Schaltermann sein Jacket wieder an und geht, auch die Frau am zweiten Schalter schließt kurz danach. Wir feiern jeden Zentimeter Vorwärtsbewegung, selbst dann, wenn sich nur die Schlange enger zusammenschiebt. Und wir feiern unsere großen Kinder, die nun nicht mehr Fangen spielen, die Absperrbänder unterlaufen, umspannen oder flitschen lassen. Nach anderthalb Stunden und der inzwischen durchgesickerten und halbwegs verkrafteten Info, dass der Flug bereits um 2.40 Stunden verschoben ist, sind wir dran. Unfreundliche Aufforderung: Pässe. Impfnachweis, ETA, Reihenfolge egal, Hauptsache dalli. Wir zücken souverän unsere ArriveCanApp und kriegen um die Ohren geknallt, das sei die ArriveCanApp, wir brauchen ETA. Kurzer Versuch der Diskussion, dann schlagen vier Herzen bis zum Anschlag, meins sackt in die Hose, Panik und doch beide Gedanken gleichzeitig, kann nicht sein und irgendwie wird es gehen. Immerhin hat die unfreundliche Frau einen Lösungsansatz, wo wir ein Last-Minute-ETA bekommen können und bis 13.30 Uhr könnten wir an diesem Schalter noch einchecken. Mit vollem Gepäck quer durch den Flughafen, gleichzeitig googelnd, wie man schnellstmöglich an ein ETA kommt, ein Stück weiter sieht uns ein Mann hinter einem Last-Minute-Ticketschalter irgendwie an, was uns fehlt und bietet uns wie auf einem türkischen Basar zurufend "ETA" an ... wir zögern nicht eine Sekunde. Er macht uns schnell Hoffnung und ist weit ruhiger als wir. Die Eingabe für das erste ETA dauert gefühlt ewig. Wir klären, wir werden nicht alle dort gebraucht, Lasse und ich gehen, inzwischen mit Gepäckwagen unterwegs, zurück zur Schlange am Check-In und stellen uns artig wieder hinten an. Irgendwann ruft Liska mich an, um zu klären, wie weit wir seien, bei meinem ETA hätten sie den Nachnamen falsch eingegeben bzw. aus meinem Nachnamen und meinem Geburtsnamen einen Doppelnamen gemacht und Hans würde noch diskutieren... in der Schlange hatten wir uns noch nicht wirklich vorwärts bewegt, da war noch Zeit, nur der Bock auf noch vorhersehbar ewig weiteres Warten in der Schlange hatten wir wahrlich nicht mehr.
Auf einmal strahlten in der Flughafenhalle zwei Gesichter in einer Weise, die sich dermaßen auffällig von allen anderen Gesichtern unterschieden: Hans und Liska. Sie hatten nicht nur vier ETA, sondern auf Liskas Drängen hin erneut den Self-Check-In probiert und plötzlich tat er es: sie strahlten und tanzten, in der Hand vier Bordkarten und vier Gepäckausdrucke. Mit ETA funktioniert es anscheinend doch auch online. Wäre cool, wenn so Apps die richtigen Fehlermeldungen generieren würden. Doch was für ein Wunder nach diesem Herzstillstand. Zwei nette Frauen halfen uns beim Gepäck-Drop-Off und wir, besonders ich konnte allmählich anfangen, auszuatmen, aufzuatmen, meinen Puls zu normalisieren.
Das Flugzeug ein anderes als geplant, da wurden sehr zu ihrer Freude einige aus der BuisinessClass downgegradet. Und um all das und die viele Verspätung wieder gutzumachen, gab es das Unterhaltungsprogramm kostenlos für alle. Gut, dass wir es nicht vorab gekauft hatten. Das Flugzeug lange nicht voll, so dass wir uns sehr ausbreiten können. Vermutlich stehen die Menschen, deren Sitze freigeblieben sind, immer noch in der Schlange am Check-In in Frankfurt. Atemberaubender Ausblick bei freier Sicht und blauem Himmel auf Grönland, man meinte, man müsse auf den Eisschollen einfach die Eisbären sehen.
Nebenbei haben wir in der Schlange am Check-In noch gelernt, der Yukon brenne und einige Straßen seien deswegen gesperrt. Netterweise auch der Klondike Highway und damit quasi unsere erste Etappe. Naja, wir können nicht alle Probleme auf einmal lösen....
Immerhin haben wir es bis Whitehorse geschafft, kanadischen Boden unter den Füßen und inzwischen rund 22 Stunden mehr oder weniger ohne Schlaf in den Knochen.