Und an dem perfekten Stellplatz nach unserer Rückfahrt von Keno stirbt in der Nacht mein Handy, es geht einfach nicht mehr an, lädt nicht mehr. Ich bin verloren, auch wenn ich die Hoffnung noch nicht direkt aufgebe. Wir fahren in den Ort Mayo kurz rein, besuchen den General Store, brauchen eigentlich nichts, schauen auf den hier riesigen Stewart River und fahren weiter zurück zu Stewart Crossing. Auf einmal entdecke ich zwischen den lichten und wirklich besonderen Tannen, die erstens selten die Dicke eines echten Baumes, noch zweitens wirklich ausladende Äste haben, sondern eher Nadelpinne in der großen Gegend sind, wie ein Adler hindurchfliegt. Wow! Ein riesiger Weißkopfseeadler. Lasses Lieblingsvogel. Hans bremst etwas intensiver und wir sehen, wie er auf einer Tannenspitze landet, wo er eine Weile sitzen bleibt und wir ihn alle gut beobachten können. Zurück im Auto kurze Versicherung, dass es wirklich ein Weißkopfseeadler war. Lasse meinte recht lapidar, naja, der hatte einen weißen Kopf und ein See war da auch, was soll es sonst sein.
Ab Stewart Crossing neue Eindrücke auf dem Klondike Highway nach Dawson: in erster Linie gigantische Baustellen, bei denen man bei uns mit Sicherheit die Straße gesperrt hätte. Mangels alternativer Wege greift auch in den Baustellen das Konzept, das wir am ersten Tag kennenlernten: Pilotcar.
An einer roten Ampel wartet man, bis das Pilot Car kommt (hier etwa 15min) und wird dann durch den Baustellenabschnitt geführt. Kostet halt Zeit, aber weit, weit, weit besser, als die Straßen in dieser Gegend zu sperren. An der ersten Wartestelle, markiert mit roter Ampel und Hinweisschild, treffen wir den amerikanischen Bus mit seinen beiden Insassen wieder, mit denen wir bereits zuvor bei einem kurzen Stopp einen winzigen Smalltalk hatten. Hier hatten wir mehr Zeit für eine nette Begegnung mit dem Ehepaar aus Missouri, das drei inzwischen erwachsene Kinder hat, mit denen sie auch viel gereist waren. Gute Gesprächsbasis. Aus Deutschland hatten sie drei Austauschsschüler, einen aus Bielefeld, weswegen sie auch wissen, dass es die Stadt gar nicht gibt. Kurioser Moment mitten im Yukon. Die beiden wiederum hatten Schweden kennengelernt, die mit ihrem Camper in Ostasien beginnend durch ganz Asien und durch ganz Europa gefahren waren. Der Mann sitze im wheelchair und ihr Camper sei halt entsprechend. Unglaublich! An den nächsten beiden Pilotcar-Wartestellen treffen wir sie natürlich jedes Mal wieder.
Es sind auch diese Begegnungen mit Gleichgesinnten, die dennoch ihre ganz eigenen Geschichten leben, die eine Reise immer wieder auszeichnen und so interessant machen.
Irgendwann erreichen wir Dawson, die historische Goldsucherstadt. Der Reiseführer hatte angekündigt, dass bereits vor der Einfahrt die sogenannten tailings zu sehen sind, die von den Dredges am Schwanz ausgespuckten Geröllhalden. Stimmt auch, sieht man, aber dass es solche gigantischen Mengen sind, über so viele Kilometer - das übertrifft meine Vorstellung bei weitem.
Dawson selbst ist eine kleine bunte Stadt, deren historischer Charme erhalten und gepflegt wird. Bunte Häuser, hölzerne Boardwalks, man bekommt letztlich alles und irgendwie auch nichts. Eine Kleinigkeit essen zu gehen, erweist sich als super schwierig, fast alles ist closed. Wir bummeln durch die staubigen Straßen, genießen das Flair, kehren doch noch iwo ein. In einer Mischung von Outdoor- und Jagdgeschäft kaufen wir eine Bearbell für mich, eine Glocke, die man mit Klettverschluss befestigen kann, damit sie permanent klingelt, um den Bär zu vertreiben - und endlich auch Bearspray, für 25 Dollar, eine gebrauchte, aber unbenutzte (hoffentlich!) Flasche samt einem Holster für sieben weitere Dollar. Wir fragen den älteren Verkäufer, ob er je Bearspray benutzt habe. Die lapidare Antwort:"I have a gun." Und er erzählt ziemlich unberührt, wie er bei einer Bärbegegnung seiner Söhne kurzerhand den Bär erschossen hat. Aha. Schluck....
Anschließend fahren wir am Bonanza Creek entlang, wo der Goldrush durch den ersten Fund ausgelöst wurde und wo heute noch jeder letzte Fitzel Stein rumgedreht wird, zur stillgelegten Dredge No.4, von deren Größe wir absolut beeindruckt sind - und all das nur, um Mutter Erde das Gold zu entreißen.
Ein Stück weiter ist ein freies Claim, wo jeder sein Glück des Panneling versuchen darf. Ein echt schöner Platz am kleinen Bonanza Creek und wir haben keine Ausrüstung. Ein einsamer Schweizer wäscht schon seit zwei Stunden und sammelt strahlend kleinste Krümelchen in einem winzigen Schraubröhrchen mit Wasser. Wir überlegen fieberhaft, was wir als pan benutzen können und waschen schließlich äußerst professionell in unserer Bratpfanne und der des Schweizers im Fluss stehend Steine mit größtem Vergnügen. Diese Stelle ist so viel cooler als jede für Touristen vorbereitete Goldwaschstelle, wo dann ja meist auch noch Gold in winzigen Mengen zugefügt ist, damit die Touris für ihr Geld auch wirklich etwas finden. Hier ist es echt und das Fieber greift auf uns über. Und wir lernen, es ist nicht alles Gold, was glänzt... in unseren Pfannen finden wir goldene Steine, die sich zerbröseln lassen und deutlich goldfarbene, aber eben nicht goldene Schmierspuren auf unseren Fingern hinterlässt. Lasse wechselt auf der Suche nach dem riesen Nugget auch noch barfuß durch das eiskalte Wasser die Flussseite. Relativ zu Anfang findet Liska ein winziges Krümelchen Gold und weiß gar nicht, wohin damit, ruft dem Schweizer zu: "Willst du mein Gold?" Ein witziger Moment ...
Wir hätten dort durchaus noch länger verweilen können, doch zur Vorbereitung unseres Abenteuers auf dem Dempster Highway brauchten wir einen richtigen Campingplatz mit WiFi zur Rettung meines Handys. So kauften wir auf einem hässlichen, aber funktionalen Platz eine Site für eine Nacht. Auch wenn das WiFi immer noch crazy ist, erfüllt der Platz seine Aufgabe. An diesem Abend in diesem schäbigen Ambiente sitzen wir sogar beim Essen und auch danach auf unseren Campingstühlen halbwegs moskitofrei draußen.
Mein Handy lässt sich mit keiner Wiederbelebungstastenkombi retten, aber Hans und Liska beginnen mit riesiger Energie und vollem Einsatz, mir aus Liskas erstem Tablet ein neues Handy zu bauen.