Von unserem coolen Stellplatz direkt am Dempster Highway ging es heute morgen zur Fähre über den in seiner Größe absolut beeindruckenden McKenzie River. Einen Moment mussten wir auf die Fähre, die den ganzen Tag und die halbe Nacht hin und herfährt, warten. Hans und ich steigen aus und laufen ein bisschen an dem gewaltigen Fluss herum. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes unfassbar, wo wir hier sind. Ich glaube, es ist ähnlich wie andere Erfahrungen in Südamerika. In dem Moment, in dem wir es erleben, fühlt es sich noch gar nicht so unglaublich an; zu realisieren, wo wir hier sind und was wir hier machen, wird noch dauern, vielleicht bis wir wieder zu Hause sind oder noch länger, bis die Eindrücke entsprechend nachgearbeitet und nachgewirkt haben. Vom anderen Ufer des Flusses sind es noch etwa zwei Stunden bis Inuvik. Kurz bevor wir diese Stadt der Déné Indianer/Gwich'in (Gwich'in = people) und Inuit erreichen, wandern wir eine knappe Stunde durch wildes Busch- und Waldland zu einer Felskante mit Ausblick über das riesige McKenzie Delta. Hier ist laut Reiseführer 50% Wetland. Wir fragen uns immer noch, ob die anderen 50% nun Wasser oder doch so etwas wie Festland sind.
Und dann Inuvik und das nördliche Ende des Dempster Highways. Absolut erstaunlich, dass nach so viel endloser Weite und reiner Natur plötzlich eine Stadt mit einer solchen Infrastruktur existiert. Schön ist wahrlich anders, aber die meiste Zeit des Jahres liegt die Stadt unter Schnee und die halbe Zeit ist es dunkel warum sollte es schön sein, schön gemacht werden? Und irgendwie ist es echt cool, hier zu sein. In einem echt großen Supermarkt gibt es eine Fastfoodtheke, die zur Hälfte Pizza Hut, zur anderen Hälfte KFC ist. Wir haben Hunger und gönnen uns ein Fastfood-Essen, das wir an einem Picknicktisch am Visitor Center verzehren. Das Visitor Center erzählt etwas über die Gwich'in und die Inuit in einer kleinen Ausstellung. Eine Kanadierin, die mit einer Reisegruppe unterwegs ist, spricht uns auf Deutsch an. Als 16jährige ist sie ausgewandert, jetzt ist sie 81 Jahre alt und ihre Lebensgeschichte im Kurzabriss kennen wir jetzt auch. Anschließend laufen wir durch die Stadt, finden in der Eishalle das "Festival of Northern Art 2022", von dem wir bereits zu Hause erfahren und uns drauf gefreut hatten. Das, was wir vorfinden, ist eine fünftklassige Mitmachaktion mit verschiedenen Bastelständen, die als Workshop bezeichnet werden und deren Teilnahme richtig teuer ist. Als wir kommen, läuft als Programmpunkt gerade "Story Telling", was uns tatsächlich amüsiert, coole Indigene erzählen mit richtig gutem Humor tolle Geschichten. Leider ist es schon bald zu Ende. Und wirklich traurig, dass es so wenig Publikum gibt. Hans meint, wenn wir wieder gegangen wären, wäre die Masse des Publikums halbiert. Also beim größten Arts Festival hier im Norden, bei dem angeblich 1000 Künstler ihre Kunst präsentieren, war schlicht mal gar gar gar nichts los. Nur das amerikanische Couple aus Missouri treffen wir für eine kurze Unterhaltung wieder. Der Rest des Ortes kann uns auch nicht so richtig überzeugen, es ist einfach nur interessant zu sehen, wie das Leben hier oben so aussieht. So stellte sich die Frage, was machen wir mit dem restlichen Tag, Zeltplatz oder Weiterfahrt nach Tuktoyaktuk?