Inuvik, der Ort der Menschen erstaunt erneut mit so viel Zivilisation nach so viel Weite der Natur. In Inuvik sind alle Häuser auf Stelzen gebaut, damit die geheizten Räume nicht den Permafrost auftauen und so die Häuser versinken lassen - wie es bereits mit Aklavik, der vorherigen Stadt dieser Gegend passiert ist. Auch alle Wasser-, Gas- und Abwasserleitungen sind oberirdisch in wenig attraktiven großen Röhren verlegt, die überall im Stadtbild zu finden sind und die Häuser zu verbinden scheinen.
Wir erreichen dasVisitor Center. Nach wie vor stellt sich uns die Frage, ob es einen Unterschied gibt zwischen Caribou und Raindeer und nach einem erneuten Durchgang durch die kleine Ausstellung mit der Kaffeetasse in der Hand fragen wir die so sehr nette, indigene Frau des Centers. Mit eindeutiger Mimik, Gestik und Worten macht sie eindrucksvoll deutlich, dass der Unterschied gewaltig ist, Rentiere seien domestiziert und kommen aus Skandinavien, aber viel entscheidender: "Caribou tastes much, MUCH better!" Und sie erklärt uns, wie unglaublich gut Caribou schmecke, dass es verschiedene Arten gebe und am besten das vom Ocean sei und sie schwärmt uns so sehr vor, wie gut es ist, dass sie selbst am Ende sagt:"Oh, now I'm hungry!" Wir unterhalten uns noch eine ganze Zeit mit ihr und erfahren, dass sie aus Tuk kommt, dass sie den Bau der Straße dort hoch nicht wirklich gut findet, die sei für Faule, und dass sie annehme, dass es letztlich darum gehen werde, die Region um Vancouver auf kürzerem Wege mit Gas zu versorgen. Sie erzählt, wie sie als Kind mit ihren Großeltern fünf bis sechs Stunden gebraucht hat, um in den Huskylakes fischen zu können, demonstriert eindrucksvoll, wie ihre Großmutter mit riesigen Fischen, die an der Angel hingen, gekämpft hat, dass die durchschnittliche Fischgröße inzwischen viel kleiner sei, dass es Wettbewerbe gibt, wer den schwersten Fisch angelt und dass die Menschen cheaten, indem sie Steine in den Fisch stecken, dass die Menschen nun ihre Schneemobile einfach neben der Straße stehen ließen (davon haben wir wirklich an vielen Stellen sehr, sehr viele gesehen, oft zusammen mit einem Boot), weil sie zu faul seien, sie wieder mitzunehmen, denn jetzt gebe es ja die Straße, über die es viel schneller zu den Lakes gehe. Und sie erzählt uns vom Beeren sammeln und wo die Inuvaluith die dicken und saftigen Beeren finden, wie sie sie einfrieren für Weihnachten, für Geburtstage oder als Geschenk und dass die Beeren an der Straße durch den ganzen Staub nicht mehr wirklich gut schmecken und auch lange nicht so groß und saftig sind wie an abgelegeneren Stellen. Reif werden die Blaubeeren und Cloudberries im August, als letztes die Preißelbeeren kurz vor dem ersten Frost. Sie schwärmt uns vor, wie unglaublich gut die Beeren schmecken und zumindest vor meinem inneren Auge entsteht das Bild, eines kleinen Inuvaluith-Mädchens mit der dicken Kleidung, die wir im Museum gesehen haben, glücklich beim Beeren sammeln und im tiefen Schnee wandernd mit Großmutter und Großvater. Das Haus der Eltern stand direkt am Strand, was für sie hieß, raus und dort spielen. Durch den Anstieg des Meeresspiegels sei der Strand viel kleiner und durch die ganzen Kiesel eigentlich kein Strand mehr, das Haus ihrer Eltern und ihrer Schwester wurde umgesetzt an eine sicherere Stelle und stehe nun nicht mehr am Strand. Als der Hafen von Tuk ausgehoben wurde, seien Schiffe aus China und Japan gekommen, was für die Kinder total spannend gewesen sei, "we make friends with them ... can you write my name in Chinese ... and things like that", sie habe am 11. Oktober Geburtstag, so dass ihr Geburtstag immer an Thanksgiving mit der ganzen Familie gefeiert wurde. Ihre Mutter habe damals sie und ihre ganzen Cousins und Cousinen raus in den Schnee zum Spielen geschickt. Heute gebe es bis Mitte Oktober oft überhaupt noch gar keinen Schnee. Wir fragen nach Bären beim Beeren sammeln und sie sagt: "Oh, yes, you should be aware of them", erklärt, dass sie die Beeren in flacherem Gestrüpp sammeln, das man in größerer Weite überblicken könne und dass im Grunde jeder eine gun habe. Eine Frau habe eine Begegnung mit einem Bären gehabt, sie habe ihm eine Pepsi-Dose auf die Nase gehauen "and both run away. And she was white! Just married with an Inuvaluith." Inuvaluith heißt übrigens "the true human being"...
Sie erzählt so extrem lebendig, es ist einfach nur schön, ihr zuzuhören, auch wenn der Inhalt an einigen Stellen durchaus zu denken gibt. Durch diese so persönliche Zeit mit ihr wird unser Besuch in Tuk noch einmal viel intensiver und wertvoller. Sehr dankbar verlassen wir das Visitor Center und sehr erfüllt dann auch Inuvik, um die Reise zurück über den Dempster Highway nach Süden anzutreten.