Morgens statten wir in Talkeetna einem kleinen Museum zwecks Informationen und der Ranger Station jeweils einen kurzen Besuch ab. Wir wollen wissen, wo in der Gegend des Susitna Rivers die Lachse springen, wo in Talkeetna Liska ausreiten kann, so wie es der Reiseführer versprochen hat. Wegen des Wetters sind die Flüsse alle trübe, so dass man die Lachse nicht sieht, zwei Stellen, wo wir es versuchen können, nennt uns die nette Frau im Museum dennoch. Reiten in Talkeetna gab es mal, aber schon eine ganze Zeit nicht mehr. Fängt schon gut an, der Tag... Wir heulen ihr ein bisschen unseren Wetterfrust vor und sie sagt voller Verständnis "when you have sunshine you see a completely different Alaska", manchmal hätten sie im Juli eben Sonne und manchmal Regen. Ja, haben wir auch bemerkt.
Wir fahren einen Lachspringpunkt auf dem Weg nach Süden an, umgehen die 10 Dollar Day-Use-Parkgebühr und sehen erwartungsgemäß nichts außer stark strömendem Flusswasser. Den zweiten Punkt verpassen wir, haben aber eh keinen Bock mehr, und biegen stattdessen links in die Hatcher-Passroad ab, die uns sofort gut gefällt. Erstaunlicherweise hört es auch noch auf zu regnen und ist insgesamt etwas heller. Die kleine Straße wird immer schöner, folgt kurvenreich dem fröhlich plätschernden Fluss, begleitet vom üppig blühenden Fireweed und zeigt uns in der Ferne die grünen Berge. Wir spielen eine ganze Zeit am Fluss und freuen uns einfach über das gerade mal trockene, teilweise sogar sonnige Wetter. Die Straße windet sich immer weiter nach oben, bietet spektakuläre Aussichten und wir erreichen bei etwas über 1000m die Passhöhe mit einem See und Schneefeldern drumherum - und ziemlich vielen Touristen, die überwiegend von der anderen Seite hochkommen, wo die Straße durchgängig asphaltiert ist. Und immer noch regnet es nicht. Kurz unterhalb der Passhöhe auf der anderen Seite liegt die ehemalige Independence Mine in ziemlichen Trümmern, aber einige Häuser sind auch noch gut erhalten. Den vollständigen Verfall verhindert die Erklärung zu Historic State Site und eine entsprechend auch touristische Unterhaltung. Erst sieht es uns zu touristisch aus, aber nun wieder bei Regen laufen wir eine längere Zeit durch diese Relikte der Goldrushzeit und genießen erneut, etwas machen zu können und wirklich viele andere sind es dort nicht. Das Ganze erinnert irgendwie an eine Filmkulisse und uns fallen einige Filme ein, von denen Szenen auch hierher passen.
Ein Tag, der sich lohnt und uns etwas mit Alaska versöhnt - und der noch lange nicht zu Ende ist. Wir erreichen Palmer mit zwei Missionen: Shooting Range für Lasse (und Hans und Liska) und Reiten für Liska. Für beides haben wir im Internet Adressen gefunden und wollen nun jeweils vor Ort die Lage checken. Zuerst die Shooting Range. Eine völlig unauffällige Halle am Straßenrand mit einer durch Code zu öffnenden Tür. Wir sind etwa eine Stunde zu früh, aber die Tür lässt sich öffnen. Drinnen werden wir von einer Gruppe Veteranen in Hemden stolz dekoriert mit all ihren Ausbildungsfähigkeiten überaus freundlich willkommen geheißen, sie freuen sich geradezu, uns zu sehen, es sei überhaupt kein Problem, bei ihnen zu schießen, auch als Gast nicht, auch als Anfänger absolut willkommen, Leihwaffen gibt es auch, sie hätten gerade auch heute eine große Zahl Instructors da, sie nennen uns die Preise, die extrem günstig sind, fragen, wer von uns alles schießen will, sind der Meinung, es wäre doch auch für mich eine gute Gelegenheit, aber ich lehne dankend ab, allerdings öffnen sie erst in einer Stunde und wir sind herzlich eingeladen, dann wiederzukommen. Unser ursprünglicher Plan war eigentlich, heute die Lage zu peilen und Freitag wiederzukommen. Aber manchmal muss man die Feste einfach feiern, wie sie kommen. Die eine Stunde nutzen wir, um zu "Matanuska Horse Adventure" zu fahren. Auch dort werden wir freundlich begrüßt und Liska wählt einen dreistündigen Ritt am nächsten Morgen, den sie von ihrem Abigeld von Oma und Opa finanziert. Als sie hört, dass es eine Anfängergruppe ist, zahlt sie lieber noch etwas mehr und darf dafür am kommenden Morgen mit einem eigenen Guide einen Tennesse Walker reiten. Geritten wird bei jedem Wetter und diesbezüglich war sie eh schon vollkommen überzeugt, sie ziehe das durch. Ihre Freude ist riesig.
Zurück zur Shooting-Range. Schnell noch ein Müsli reingeschaufelt und/oder ein Brot reingestopft - Essen haben wir an diesem übervollen und ereignisreichen Tag mehr oder weniger vergessen - und dann geht's los. Es bleibt super sympathisch, es gibt eine Sicherheitseinweisung, eine technische Schulung mit einer Übungspistole im Schulungsraum, jeder einen Ohrenschutz und eine Schutzbrille und dann geht es auf die Range. Dort schießen wenige andere und beim ersten Schuss, der dort fällt, erschrecke ich mich dermaßen, wie laut das selbst mit Ohrenschutz noch ist, dass ich einen Moment denke, mich hätte jemand erschossen. Lasse, Liska, Hans schießen abwechselnd mit Anleitung, Hilfe, Korrektur und jedesmal wird das Grinsen bei allen breiter. Nach ungefähr 50 Schuss hat jeder seine Zielscheibe mit den letzten fünf in Serie geschossenen Schüssen und Chuck, der die drei betreut, denkt, es sei Ende. Doch alle sind so begeistert, dass Hans vorne nach mehr Munition fragt und mit einem kleinen Kästchen wiederkommt. Chuck reißt die Augen auf, als er das sieht: "That's a hundred!!" Mit größter Begeisterung schießen Lasse und Liska weiter, Hans schaut inzwischen lieber zu und genießt mit mir zusammen das große Glück der beiden und insbesondere Lasses. Mir ist es ja nach wie vor absolut schleierhaft, wie man sich dafür so begeistern kann, aber Lasses Faszination ist genauso absolut eindeutig und er kann es gut erklären und reflektieren ... insofern: who cares?
Nach diesen 100 Schuss verlassen wir nach weiterem netten Smalltalk glücklich und zufrieden diesen Lasse-Traumort, fahren an den Knik-River, wo man in dem riesigen Flussbett im Kies am Wasser sehr gut übernachten kann. Nach so viel Denali-Regenfrust war das nun der völlige Overflowtag und wir sitzen noch eine ganze Zeit gemütlich im Camper zusammen und reflektieren, was heute alles passiert ist. Es fällt schon schwer, uns zu erinnern, wo wir morgens eigentlich gestartet sind.