Als ich Hans heute Morgen frage, wie er geschlafen habe, meint er nur, die Steinplatte sei total unbequem gewesen. Nachdem er die ganzen Unebenheiten mit seiner ausgezogenen Kleidung ausgestopft hatte, sei es gegangen. Vom Hinterausgang des Zeltes hatten die beiden heute morgen jedenfalls einen fantastischen Blick auf die steil hinabfallenden Wände des Canyons im frühesten Morgenlicht.
Heute verlassen wir den Canyon und fahren teils auf Asphalt, teils auf Piste ins Wadi Damm. Wir können wirklich mit dem Auto ins unten trockene Flussbett fahren. An einer Stelle steht ein französischer Overlander, quasi gegenüber ein Zelt mit einem Fahrrad. Beides gehört einem Ungarn, der in Schweden lebt und seit März 11000 Kilometer mit dem Fahrrad durch die Welt gefahren ist und - wie er erzählt - sich körperlich fit fühle, mental aber gerade etwas fertig sei. Er war länger im Iran und der Iran sei ein sehr intensives Land. Wir ahnen und haben eine Vorstellung davon, wie er sich fühlt, auch wenn wir eine solch gigantische Reise noch nicht erlebt haben.
Liska und Lasse waren einfach mal den falaj, die arabische Antwort auf ein römisches Aquädukt, talaufwärts gelaufen und es dauert eine Zeit, bis sie wiederkommen und begeistert berichten, wie sehr es sich lohne, denn ein Stück weiter oben seien tatsächlich Pools zum Baden.
Kurze Zeit später ziehen wir in Badesachen los. Ich hätte es ahnen können, dachte aber, wir gehen mal eben ein kleines Stück und baden dann in einem Pool. Falsch gedacht, falsche Familie. Wir machen eine echt richtig coole Kletter- und Kraxeltour durch das Wadi und schauen immer wieder begeistert in wunderschöne Pools, wollen aber erst noch ein Stück hoch. An einer Stelle ist ein "Seil" angebracht, um eine ansonsten kaum zu erklimmende rutschige Stufe hochzukommen. Als Aufstiegshilfe ist schon ein enorme Sicherheit versprechender Steinhaufen aufgeschichtet. Diese Stelle kennen Liska und Lasse schon und wissen genau, wie es am besten geht. Schwupps sind die beiden oben. Dann ich. Ich ergreife den unteren Teil des "Seils", der einem Kashmirschal gleicht, und ziehe mich mit Hans Hilfe hoch - und traue meinen Augen nicht. Der Kashmirschal ist an ein vielleicht Ex-Seil gebunden, von dem aber schon mehrere Fäden gerissen sind, so dass das Seil, an dem ich gerade hänge, so etwas wie ein Schnürsenkel ist. Bei Hans hat er dann auch noch geknackt, so dass er den Steinsicherheitshaufen erhöhte, um weniger Gewicht an den Schnürsenkel hängen zu müssen. Als wir alle oben sind, beschließe ich, für den Rückweg muss es eine andere Möglichkeit geben. Gibt es auch. Aber bis dahin sollte ich noch einmal um mein Leben fürchten. Irgendwann scheint es auf keiner der beiden Seiten weiterzugehen und wir kehren um. Eine nicht ganz einfache Stelle wird auf dem Abstieg mein Alptraum. Die Felsen sind teilweise so rutschig, dass es im wahrsten Sinne des Wortes keinen Halt gibt. An einem dicken Felsen reicht meine Länge nicht aus, um vom letzten Griff mit dem rechten Fuß auf dem einzigen Tritt den linken weit genug nach links auf den nächsten Absatz zu bekommen - mehr als Spagat geht nicht. Hans und Lasse helfen mir, führen meinen linken Fuß nach links unten, dabei können aber meine Hände den letzten Griff nicht halten und dann rutscht mein rechter Fuß aus seinem einzig möglichen Tritt. Wie ich dann auf dem kleinen Absatz doch noch lande, weiß ich auch nicht, brauche aber eine kleine Erholungspause ...
Und in einem Pool baden wir dann doch auch endlich noch - eiskalt und das Becken so rutschig, dass man kaum eine Chance hat, reinzugehen. Sobald man beide Füße im "Einstiegsbereich" hat, ergibt sich der Rest von selbst - sliden ohne Bremse.
Und nun stehen unser Auto und unser Zelt in einer Höhle mitten im Wadi - und das, obwohl man im Flussbett eines Wadis niemals zelten soll, da es im Falle von Regen zu Wasserfluten kommen kann, bei denen schon einige Menschen ihr Leben gelassen haben. Absolut beruhigend, hier zu stehen.