Morgens um 6 Uhr klingelt der Wecker. Wir wollen auf den Wochenmarkt in Nizwa und das zu der Zeit, wo noch keine Touris dort sind, um möglichst authentische Augenblicke zu erleben. Und das gelingt in absolut beeindruckender Weise. Unglaublich, was wir in diesen zwei Stunden vor dem Frühstück sehen, erleben, hören, riechen, aufnehmen, einatmen, schmecken. So, so, so besonders. Als erstes stoßen wir an einem kleinen Platz auf eine arabische Männermenge. Wie wohl Liska und ich uns hier fühlen, wissen wir auch noch nicht. Die Männer haben Gewehre, Messer, Kanjars ausgelegt und zeigen, prüfen, schauen, schreien, bieten, feilschen. Überall ragen die Läufe in die Luft. Bei einem ersten Kaffee schauen wir eine lange Zeit dem Geschehen zu und offensichtlich stört sich auch niemand an Liskas und meiner Anwesenheit. Lasse mischt sich unter die Männer, ist auffallend groß und darf auch ein Gewehr in die Hand nehmen. Seine Begeisterung wird hier geteilt, er wird ernst genommen.
Wir ziehen weiter über den großen Gemüse- und Obstmarkt, wo auch selbst gemachte Süßspeisen verkauft werden. Wir erkennen die "Nacktschnecken" vom ersten Abend in Muscat wieder. Und natürlich gint es überall Berge von unterschiedlichen Datteln. In der Mitte scheint irgendwie der Großmarkt zu sein. Hier werden die Waren nur kistenweise verkauft und teilweise von kleinen Jungs in Schubkarren abtransportiert.
Auch hier sind wir noch die einzigen Touris und Liska und ich die einzigen Frauen. Aber die Omanis sind super nett, sprechen Liska an, erklären ihr, dass der Mann in der Mitte gerade Honigwaben anbiete, was diese kosten und was der fertige Honig im Vergleich koste. Wir sind wirklich mittendrin im Geschehen und dürfen es sein.
Am Ziegenmarkt ist am Anfang noch nicht so viel los. Doch als wir ein zweites Mal kommen, sind mehr Menschen und hier auch viele Touris dort. In der Mitte des Platzes ist ein überdachtes Rondell, wo viele Omanis und ein paar Touristen stehen. Um dieses Rondell herum bilden ebenfalls viele Omanis und Touristen einen Kreis mit so viel Abstand zum Rondell, dass eine Gasse bleibt. Und dann werden wir Zeuge eines Schauspiels, an dem wir uns lange Zeit nicht satt sehen können. Männer aller Altersklassen, Jugendliche und Jungs laufen mit je einer Ziege am Strick durch die Gasse und präsentieren lautstark ihre Tiere. Immer und immer wieder geht es im Kreis herum, potentielle Käufer betrachten die Zähne der Tiere, tasten Rückgrat und Hoden oder Euter, bieten oder lehnen ab, es ist ein einziges Gewirr von Stimmen, Schreien, Action. Vor uns sitzt lange Zeit ein Omani, der immer, wenn ihn ein Tier interessiert, den zugehörigen Mann mit einem kleinen Stein bewirft, um auf sich aufmerksam zu machen. So können wir viele Male sehr genau zuschauen, was an Gestik und Mimik ausgetauscht wird, wie die Qualität des Tieres fachmännisch untersucht wird. Es ist - wie auch schon bei den Waffen - eine ernste und respektvolle Atmosphäre und doch freundlich, zumindest für mein Gefühl anscheinend fair dabei. Liska lässt sich wieder das ein oder andere von einem Mann in der Menge erklären. Super nett, auch wenn der Mann ihre Frage nicht versteht und stattdessen halt einfach eine andere beantwortet. Ich sage irgendwann zu ihr: "Ich höre immer 'chasin', 'chasin', 'chasin' ... was heißt 'chasin'?" Und schön erklärt grinsend der Omani, der neben mir steht und nur 'chasin' von mir verstanden hat, dass das "fünfzig" heiße, und schon werde ich aufgeklärt, wie die ganze Verhandlung um die Ziegen vonstatten geht. Total nett. Er erzählt mir auch, dass das jetzt etwa eine halbe Stunde so gehe und dann kämen die Kühe. Das sei "more action". Diese "more action" wollen wir natürlich sehen, auch wenn ich mich frage, wie die deutlich größeren Rinder durch diese immer engere und mehr zusammengerückte Gasse geführt werden sollen, ohne dass etwas passiert. Aber wir schaffen die Kühe nicht mehr. Immer weiter im Kreise werden die Ziegen geführt, Szenen, Bilder, Aktionen ... Wir kehren fürs Erste völlig beeindruckt und glücklich über dieses früh morgendliche Erlebnis zum Frühstück zurück ins Hotel. Auf der Dachterasse freuen wir uns über umfangreiches und leckeres Essen und genießen unsere Zeit hier.
Nach dem Frühstück mit Falafel, orientalischen Aufstrichen, frischem Fladenbrot, frischem Obst, warmen arabischen Speisen und europäischen Nichtigkeiten wie Schmelzkäse ziehen wir einfach wieder zum Souq und drehen eine neue Runde. Dass unser Hotel so mittendrin ist, ist einfach nur genial. Der Waffenhandel läuft immer noch, Obst- und Gemüse sind ziemlich abverkauft, der Großmarkt beendet, ebenso der Ziegenhandel. Überall noch Spuren von alldem, was uns heute morgen bezaubert hat, aber eben auch nur noch Spuren. Zum Glück sind wir so früh aufgestanden. In der großen Markthalle ist noch mehr los. Das Erstaunliche an diesem Souq ist, niemand, aber auch wirklich niemand quatscht uns an - und es gibt keine Kashmirwaren. Ein Zeichen der Authentizität? In Dubai hatte ich ja, um überhaupt irgendetwas zu kaufen, nach Chicken Masala gefragt und hätte am Ende und vor der Möglichkeit noch zu handeln für 200g etwa 120 Euro bezahlt. Hier haben wir im Supermarkt etwa 250g Chicken Masala und Omani Masala für rund 2 Euro gekauft. Ich frage einen Händler, ob er mir die Unterschiede des Weihrauchs erklären könne und bereitwillig erklärt er mir alles, was ich wissen will. An keiner Stelle drängt er mich zum Kauf oder gibt mir auch nur das Gefühl, nach seiner langen Bemühung nun auch etwas kaufen zu müssen. Da ich aber so gern Weihrauch wollte, kaufe ich eine große Tüte und er lässt seinen kleinen Sohn Abdullah das restliche Geschäft abwickeln. Er sei in der sechsten Klasse und er nehme ihn immer mit auf den Markt, um Zahlen und Rechnen und den Umgang mit Geld zu lernen und auch die Sprachen Englisch, Französisch, Deutsch, Russisch. Er zeigt mir auch, dass man den Weihrauch essen kann, er sei sehr gesund, besonders bei Erkältung. Nimmt sich ein kleines Stückchen steckt es in den Mund und bietet mir auch eins an. Vertrauensvoll nehme ich einen Krümel und beiße drauf. Schmeckt, wie er riecht und ab jetzt habe ich einen halben Tag lang in jedem Backenzahn und in jeder Zahnlücke Weihrauch kleben, der sich nur mit viel Mühe Stückchen für Stückchen wieder entfernen lässt. Wer weiß, dass Weihrauch Harz ist und schon mal Harz an den Fingern hatte, kann sich vielleicht ungefähr vorstellen, wie sich das in meinem Mund verhielt.
Den Souq und Nizwa mit allen Sinnen und vollständig erlebt, verlassen wir die Stadt auf ähnlichen Irrwegen wie beim Reinfahren.