Wie immer früh auf, das Feuer hat noch Glut, wir frühstücken am Feuer und genießen die Kühle rundherum.
Da der Luftdruck in den Reifen schon mal halbiert ist, fahren wir ein kleines Stückchen weiter in die Sandwüste hinein und machen einen kleinen Hike auf und durch die hier etwas höheren Dünen und lassen uns erneut von der Schönheit dieser Sandformationen faszinieren.
Anschließend geht es zurück auf befestigte Straße, wofür wir in einer etwas längeren Procedur den Reifendruck mittels Kompressor wieder erhöhen müssen. Auf der großen Straße Richtung Süden durchfahren wir dieselbe weißgraue Einheitsöde wie gestern. Irgendwann kommt das Schild, dass wir nach Shisr abbiegen müssen. In der lateinischen Umschrift des arabischen Wortes steht dort "Shasar" und wir sind unsicher, ob das wohl richtig ist. Zum ersten Mal ist es nicht nur nett, sondern tatsächlich hilfreich, dass ich die arabische Schrift ein wenig lesen kann. Die Umschriften ins Lateinische folgen hier ja immer der englischen Aussprache und die ist nun wahrlich nicht eindeutig. Und wir vergessen halt auch immer wieder, dass wir die Ortsnamen, die lesbar sind, englisch und nicht deutsch aussprechen müssen. Das sorgt immer mal wieder für Verwirrung und ich war schon sehr oft sehr verwundert, wie merkwürdig das Arabische transkribiert worden ist.
Auf jeden Fall biegen wir rechts ab und navigieren hier mit dem I-Overlander weiter. Der TomTom ist mit seiner Karte schon länger am Ende. Die Straße, die uns in die alte Karawanenstadt Shisr, die im Koran als "Ubar" erwähnt ist und als "Atlantis der Wüste" gilt, entpuppt sich als 66km heftigstes Waschbrett. Die für das Waschbrett geeignete Geschwindigkeit ist 80km/h - für meine Nerven ist sie das nicht. Hans fährt langsamer, Lasse übernimmt und wir ruckeln, wackeln, schaukeln wie schon auf vielen anderen Pisten der Welt. Alles, was bisher noch keinen festen Platz im Auto hatte, wird jetzt exakt eingepasst. Vermutlich halbiert sich auf dieser Strecke unser Gepäckklumpen. Die Fresskiste stürzt irgendwann ab, ändern können wir es nicht. Aber seitdem ist unser Brot spurlos verschwunden.
Shisr/Ubar lohnt nicht. Das "Atlantis der Wüste" haben andere vor uns entdeckt, die Trümmer - äh, Ruinen - eingezäunt, ein World Heritage Sign aufgestellt und ein Kassenhäuschen errichtet. Die 25 Euro Eintritt sparen wir und laufen einmal in sengender Hitze außen um den Zaun zwischen Steinen, Dreck und Müll herum. Für die romantische Vorstellung, dass hier Karawanen durchgezogen sind und wertvolle Waren transportiert haben, reicht unsere Phantasie nicht.
Wir steuern etwas halbherzig einen Overlander-Platz ein Stück nordwestlich an. Aber Hans hatte heute morgen schon festgestellt, dass wir damit nicht die Sanddünen der Rub Al Khali erreichen werden. Wir ruckeln tapfer weiter Waschbrett und steinige Piste, neben uns wird eine Teerstraße gebaut.
Links von uns in der endlosen flachen Wüste sehen wir in halbwegs erträglicher Entfernung ein paar Dünen und verlassen die Piste ins Gelände in der Hoffnung, dort einen Übernachtungsplatz zu finden. Noch 80km weiter zu fahren, um wirklich die Dünen zu erreichen, haben wir keine Lust mehr, denn all das müssten wir morgen auch noch zurück. Uns nervt gerade die Hitze in Kombination mit tausenden von Fliegen, die bei jeder noch so kleinen Gelegenheit ins Auto kommen. Der Trost, dass sie wenigstens nicht stechen, ist nur ein kurzer. Sie nerven einfach kolossal und auch unsere immer unfreundlicheren und unflätigeren Beschimpfungen kümmern sie gar nicht. Lasse wird zum Massenmörder ...
Wir finden eine Stelle, mit der wir so nach und nach unseren Frieden machen, sind aber einfach nur froh, die letzten beiden Nächte so wunderschöne Plätze gefunden zu haben. Wir setzen uns alle nebeneinander in den spärlichen Schatten des Autos. Noch gut zwei Stunden bis zum Sonnenuntergang und Abkühlung. Beim Versuch etwas zu essen wird die Fliegenplage endgültig zu viel. Wir beschließen zurückzufahren Richtung Shisr und doch noch einen anderen Overlanderplatz anzufahren, der ab Shisr etwa 25km Schotterpiste entfernt ist. Als wir diesen Abzweig erreichen, können wir es kaum glauben: es ist die ganz neue Teerstraße. Die ist so neu, dass wir nicht sicher sind, sie benutzen zu dürfen - und tun es doch. Wir schämen uns fast dafür, aber wir sind super glücklich über diese wunderbar glatte Straße. Nach etwa 25km wird klar, der gute Sultan, der den Oman so weit gebracht hat, hat noch einiges vor. Hoffentlich hat er sich auch das gut überlegt. Mit Erreichen einer wunderschönen Dünenlandschaft erreichen wir auch ein in absehbarer Zeit vollkommen touristisch erschlossenes Gebiet mit exklusiven Wüstencamps, riesigen Parkplätzen und guided tours in die Landschaft und auf die Dünen. Für uns heute ist es noch ein Traum und teilweise sehr lustig und unterhaltsam. Denn schon jetzt fahren Tourguides ihre Kunden mit Vollgas auf die Dünen. Und einige wenige locals vergnügen sich ebenfalls mit diesem Spaß. Hans, angefeuert von Liska, versucht es auch, Lasse hält es für vollkommen unnötig und unsinnig, ich brauche es auch nicht, aber unser Auto schafft es eh nicht. Vermutlich sind wir einfach zu schwer. Wir suchen uns einen schönen Stellplatz, stellen unsere Stühle raus und schauen dem Spektakel zu. Auch hier nerven die Fliegen, aber da alles andere so schön ist, meckert keiner mehr wirklich. Ein Geländewagen mit vier Omanis fährt an uns vorbei, sie winken uns zu, wir winken zurück und einen Moment später kommen sie rückwärts zu uns zurück, sprechen uns an, wollen wissen, ob wir Arabisch sprechen, sie sprechen nur ganz wenig Englisch, aber alle vier steigen aus, einer hat die Kaffeekanne in der Hand, holt Tassen, wir begrüßen uns alle, Datteln reichen sie auch noch, die gemeinsame Sprache ermöglicht kaum Unterhaltung, aber acht Menschen haben Spaß aneinander.
Hans, Liska und ich steigen die Dünen barfuß hinauf, Lasse chillt im Dachzelt. Die Aussicht auf unser Lager und der Rundumblick in die Wüste sind grandios. Oben schauen wir weiteren Fahrern bei ihren Versuchen, die Dünen hochzufahren zu, manche schaffen es, manche nicht. Doch auf fast jeder Düne sitzt ein Pärchen oder eine Einzelperson hochkutschiert von einen Guide, adrett gekleidet und sauber - und bereit für den Sonnenuntergang. Sehr lustiges Phänomen und wir fühlen uns nach 66km harter Waschbrettarbeit, seit drei Tagen überall am und im Körper Sand, staubiger, verschwitzter Kleidung auch nicht sonderlich mit ihnen verbunden. Einmal mehr empfinden wir uns als Reisende und nicht als Touristen.
Nach dem Sonnenuntergang fahren alle guides ihre Touristen wieder zurück, ziehen wie an einer Perlenkette aufgereiht an uns vorbei. Wir dürfen bleiben und empfinden das als das weit größere Glück. Viele winken uns zu, mancher fragt, ob bei uns alles okay sei und vor lauter Zurückwinken geht das Kochen zunächst nur langsam voran. Ein Omani, der zurück in die Stadt muss, schenkt uns eine ganze Kiste mit 20 Wasserflaschen, die er nun nicht mehr benötigt. Ein anderer amüsiert sich, dass wir genau zwischen den beiden "Straßen" im Sand stehen und wir bekommen seine volle Anerkennung dafür. Alles sehr lustig und wir freuen uns so sehr, dass wir nicht von irgendeinem Guide in irgendein Zeltcamp oder gar ein Hotel gebracht werden. Reisende eben. Keine Touristen.
Pfannkuchen, Gemüse, alle Töpfe, Teller, Besteck eingesaut, Lagerfeuer, Bett ...