Im letzten Ort vor der Wüste kaufen wir die wenigen noch fehlenden Sachen ein, unter anderem sechs Eier. Der Omani an der Kasse spricht ganz gut Englisch und fragt amüsiert mit Blick auf uns vier, warum wir ausgerechnet genau sechs Eier kaufen. Die Erklärung ist einfach, Lasse mag keine Eier, zwei für jeden von uns anderen drei. Dennoch führt die Verwunderung auf beiden Seiten zu so viel Spaß, dass der Omani am Ende seine Kasse im Stich lässt und es sich nicht nehmen lässt, unseren Einkaufswagen für uns zum Auto zu schieben.
Auf der weiteren, nur noch kurzen Fahrt zur Wüste müssen wir noch ein bisschen Slalom fahren zwischen ein paar aufdringlichen Tourguides, die uns eine Nacht im Wüstencamp verkaufen wollen und uns zu verfolgen scheinen. Auf jeden Fall hupt uns ständig einer an.
Der Übergang von Nicht-Wüste zu Wüste ist krass. Ein bisschen merkwürdig mit GoogleMaps navigiert, fahren wir noch ein paar enge Gassen mit falaj zwischen Mauern hindurch, hinter denen üppigst Palmen und andere Bäume wachsen. Und hier soll gleich die Sandwüste beginnen?
Tatsächlich, der Asphalt endet, der Sand beginnt, ein Schild weist auf den deutlich zu senkenden Reifendruck hin, dem auch wir Folge leisten. Und dann geht's los. Breite, sehr breite sandige Piste, rechts und links hohe Dünen, überall Fahrspuren, überall Wüstencamps bestehend aus zwei, drei oder auch mal mehr Zelten, ein kleiner Wasser(kanister)turm, das Camp meist eingezäunt. Wovor haben die hier Angst? Kommt nachts der Löwe? Das Nilpferd, das Nashorn?
Wir passieren zig Kamelfarmen und irgendwie ist hier nirgendwo einsame unberührte Wüstenlandschaft. Wir sind erstaunt, wieviel grünes Gesträuch hier wächst. Wo kommt so viel Wasser her?
Hans hatte einen Overlanderpunkt im Navi eingegeben, an dem sich jeden Freitag die Omanis zum Wüstenrennen mit ihren Autos treffen. Klingt interessant, wir steuern diesen Punkt an. Um 16 Uhr soll der Spaß beginnen, wir erreichen den Punkt bereits um 15 Uhr und finden eine gähnend leere große Sandfläche vor. Nach etwas hin- und herüberlegen und Sherlock gemäß die Spuren deutend kommen wir zu dem Entschluss, dass die Racer wohl links die Dünen hochfahren werden. So suchen wir uns rechts auf den Dünen einen Logenplatz, dessen Auswahlkriterium neben einer halbwegs ebenen Stellfläche die Müllmenge ist. Auch hier ist es unvorstellbar, wie viel Müll überall rumfliegt. Inzwischen haben wir mehrfach beobachtet, wie die Omanis ihren Müll aus dem Autofenster schmeißen oder einfach verstreut liegen lassen. Unglaublich.
Wir sitzen jedenfalls angenehm bei leichtem Wind im Schatten unseres Autos und schauen einem ersten Toyotafahrer zu, wie er mit Vollgas immer und immer wieder vergeblich versucht, die Düne senkrecht hochzufahren. Wir kommentieren das sehr fachmännisch, haben ja inzwischen genug eigene Erfahrung, um mitzureden. So nach und nach kommen mehr Autos und immer mehr Fahrer versuchen, die Dünen zu erklimmen. Auch die Zuschauer auf unserer Seite werden immer mehr. Allmählich füllen sich die Dünen wie eine Tribüne mit Omanis, die alle - genau wie wir - im Schatten ihrer Autos sitzen, Kaffee kochen, picknicken und dem zunehmenden Spektakel auf der anderen Seite zuschauen.
Neben Autos toben sich auch Quads aus. Die Omanis scheinen Sicherheitsköpfe zu haben - keiner trägt einen Helm. Ist bestimmt ein schönes Gefühl, wenn sich so ein Quad überschlägt, senkrecht mit dem Kopf im Sand zu stecken.
Irgendwann kommen zwei Omanis vorbei, quatschen uns an, woher, wie lang, warum, wieso ... und Hans als erfahrener Omani bietet Kaffee und Datteln an, wir lachen uns kaputt. Sie wundern sich über unsere deutsche Art, Kaffee zuzubereiten und bestaunen unseren Filter. Kurze Zeit später gehen sie zu ihrem Platz zurück und laden uns für später auf einen Kaffee zu sich ein.
Wir schauen weiter zu, wie es immer mehr Fahrern gelingt, die Düne zu erklimmen und die Zuschauerzahlen steigen auch immer noch.
Liska und ich machen einen kurzen Rundgang über die Düne und sehen einen der Omanis, die bei uns waren, uns zuwinken, dass wir vorbeikommen sollen.
Wir überlegen noch zweimal, ob wir das wollen und besuchen sie dann. Es ist natürlich eine reine Männergruppe - Frauen sind bei diesem Wüstenrennspektakel die absolute Ausnahme, weiße Frauen irgendwie ein separates Highlight. Sie freuen sich alle, dass wir kommen und kümmern sich mit allem, was sie haben, extrem herzlich um uns. Wir sitzen alle im Sand, als erstes bekommen wir Kaffee in winzigen Pappbechern, dazu Butterkekse und jede Menge Smalltalk. Einer fragt mit Hilfe von Fingergestik, ob Liska verheiratet sei. Wir verneinen, sie freuen sich. Insgesamt ist die Stimmung so locker, dass ich frage, wieviele Kamele sie geben. Der Junge, der schon, als sie bei uns waren, die ganze Zeit mit seinem Handy gefilmt hat, antwortet sofort: "Two!" und ich lache laut und gebe sehr deutlich zu verstehen, dass das wohl ein schlechter Witz sei. Er will wissen, wie viele ich wolle - und ich beende das Spiel. Als nächstes probieren wir selbstgemachten Honig. Dazu gießen sie uns zunächst Wasser aus kleinen Plastikflaschen über die linke Hand zum Waschen und dann Honig aus einer großen Glasflasche in die offene Hand, den wir so nach und nach lecken und mit Butterkeksen essen. Zigmal wollen sie hören, wie gut der Honig sei und sie erklären uns alle gleichzeitig, wo der Honig herkommt und welche herausragende gesundheitliche Wirkung er hat.
Danach kommt die Geruchsprobe eines Parfums, das sie uns auf den Daumenballen schmieren. Liska findet den Geruch sehr diplomatisch "interessant". Zwischendurch wollen sowohl sie als auch wir Fotos dieser Party. Den Karaktea lehnen wir dann dankend ab wie schon zuvor das Barbecue für die ganze Familie bei einem zu Hause oder in einem der Dünencamps. So genau haben wir es nicht verstanden. Wir verabschieden uns und kehren zu Hans und Lasse zurück.
Allmählich geht die Sonne unter, die ersten Autos fahren beleuchtet auf die Düne, die ersten Zuschauer sind längst verschwunden. Wir haben inzwischen beschlossen, hier für die Nacht zu bleiben und fragen uns, wie lange der Lärm uns wohl in die Nacht hinein begleiten wird. Aber um 19 Uhr ist die Wüste leer. Außer uns gibt es in weiter Entfernung, aber noch sichtbar das ein oder andere Camp, doch keiner fährt mehr die Düne hoch. Hans meint, die müssen alle nach Hause, wenn die Laternen angehen. Die Wüste kommt zur Ruhe und sieht aus, als hätte es dieses Event nie gegeben. Dabei gibt es das jeden Freitag - und die Reifenspuren sind auch deutliche Zeichen, dass es wirklich stattgefunden hat.